Grüne, UWG und FDP hatten zur Ratssitzung am 12.10.2022 einen Antrag zur Aufhebung der Straßenausbaubeitragssatzung eingebracht. Der Antrag wurde in der Sitzung kontrovers diskutiert und schließlich mit 16 Stimmen von CDU und SPD gegen 9 Stimmen abgelehnt.
Zur Sache: Da zahlreiche Straßen bereits mehr als 40 Jahre alt und dringend erneuerungsbedürftig geworden waren, hat die Gemeinde Belm sich, wie andere Kommunen auch, im Jahr 2005 nach intensiver öffentlicher Diskussion unter fachlicher und juristischer Beratung auf der Grundlage des Niedersächsischen Kommunalabgabengesetzes (NKAG) eine Straßenausbaubeitragssatzung gegeben. Ziele waren und sind ein guter Zustand der Gemeindestraßen bei gleichzeitig sicherer Finanzierung notwendiger Erneuerungsmaßnahmen.
Demnach werden Anlieger einer Straße bei deren notwendiger Erneuerung zur teilweisen Deckung der Kosten zu Beiträgen herangezogen (Straßenausbaubeiträge). Das können je nach Klassifizierung einer Straße (Durchgangsstraße, Straße mit innerörtlichem Verkehr, Anliegerstraße) zwischen 30 – 75 % der Gesamtkosten sein, die anteilig auf die Anlieger umgelegt werden. Die Kosten notwendiger Sanierungen am Kanalsystem werden über die Wasser-, Schmutzwasser- und Regenwasserhaushalte (seit 2018 zuständig Wasserverband Wittlage) getragen und nicht auf die Anlieger umgelegt. Das ist geltendes Ortsrecht.
Im weiteren hat die Gemeinde Belm ein Strassenausbauprogramm erarbeitet und die Straßenerneuerung ist mittlerweile zu einer laufenden Aufgabe geworden. Betroffene Anlieger werden 5 Jahre vor Ausbau ihrer Straße informiert und an den detaillierten Ausbauplanungen beteiligt. Handelnde in dem Umsetzungsprozess sind seitens der Gemeinde in erster Linie die Verwaltung und an deren Spitze der Bürgermeister. Die Politik diskutiert und beschließt in öffentlicher Sitzung, welche Straße wann ausgebaut wird, deren endgültige Ausbauplanung und gibt die notwendigen finanziellen Mittel frei. Beitragsbemessung und Beitragserhebung sind wiederum Sache der Verwaltung.
Die Position der SPD-Fraktion: Dieses in jeder Hinsicht transparente Verfahren wird seit 2010 umgesetzt und hatte zuletzt bei vielen Bürgerinnen und Bürgern weitreichende Akzeptanz gefunden. Zahlreiche Straßen sind seither erneuert worden (siehe unten). Die bisher gemachten Erfahrungen zeigen, daß in der Regel die kostengünstigsten Ausbauvarianten einvernehmlich mit daraus resultierenden durchschnittlichen Beiträgen von zuletzt 5500 € je Grundstück umgesetzt worden sind.
Dem Gemeindehaushalt würde ohne die Erhebung von Straßenausbausbaubeiträgen oder ohne deren Gegenfinanzierung jährlich 500.000 € fehlen.
Es ist bislang nicht zu erwarten, daß das Land Niedersachsen sich, wie in der Ratssitzung von einigen gefordert, an den Kosten der Erneuerung von Gemeindestraßen beteiligen und das Defizit ausgleichen wird.
Die vorgeschlagene Erhöhung der Grundsteuer würde Ungerechtigkeiten schaffen und ist haushaltsrechtlich problematisch. Allgemeine Steuern können nicht von vornherein zweckgebunden, also hier primär für eine Straßenerneuerung eingesetzt werden. Bei nicht ausgeglichenem Haushalt, stände die Straßensanierung immer wieder erneut zur Debatte. Hinzu kommt, daß der Hebesatz nach Berechnungen der Verwaltung erheblich angehoben werden müßte und damit dann weit über dem Landesdurchschnitt liegen würde. Auf Grund eines dann verbesserten Steueraufkommens gäbe es weitere fiskalische Nachteile für die Gemeinde Belm durch eine in der Folge Erhöhung der Kreisumlage bei gleichzeitiger Verringerung der Schlüsselzuweisungen des Landes. Das kann niemand ernsthaft wollen.
Gemeinden, die ohne Straßenausbaubeitragssatzung auskommen, denen geht es finanziell in der Regel erheblich besser (wie etwa der Gemeinde Wallenhorst) oder sie verfolgen kein langfristiges und zielgerichtetes Straßenausbauprogramm zur Sanierung ihrer Straßen (wie etwa die Gemeinde Bohmte, siehe *).
Zukunftsweisende und notwendige Investitionen von mehreren Millionen Euro an der Oberschule, in den Kitas St. Josef und Christus, in die energetische Sanierung des Rathauses, für den Umbau der Bremer Straße, die Sanierung der Außensportanlagen am Heideweg, in die Bahnhalte Vehrte und Belm-Mitte stehen in den nächsten Jahren an und müssen finanziert werden. Die Gemeinde Belm kann sich den Verzicht auf die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen nicht leisten, ohne die Umsetzung anderer wichtiger Zukunftsaufgaben in Frage zu stellen!
Die folgenden Straßen sind bisher im Rahmen des Straßenausbauprogramms erneuert und Straßenausbaubeiträge gemäß Satzung abgerechnet worden: Am Appelhügel, Am Buchenbrink, Am Schinkelberg, Amselweg, Geschwister-Scholl-Straße, Gustav-Meyer-Weg, Heidkampsweg, Kühler Kamp, Lerchenstraße, Meisenweg, Placken Ellern (zwischen Grenzweg und Ringstraße), Power Weg, Schulstraße (zwischen Goerdelerstraße und Ringstraße) und Talkamp. Wie wollte man nach einer Aufhebung der Straßenausbaubeitragssatzung mit diesen Anliegern umgehen? Die Antragsteller haben darauf keine Antwort gegeben.
Fazit: Das „Ungerecht, unsozial, nicht mehr zeitgemäß“ der Antragsteller ist zu einfach angesichts eines komplexen Themas.
Weitere grundlegende Informationen zur Straßenausbaubeitragssatzung und zum Straßenausbauprogramm der Gemeinde Belm finden sich unter folgendem Link:
https://www.belm.de/Bauen-Wohnen/Straßenausbauprogramm/
* Laut einer Recherche des NDR für Niedersachsen vom 01.09.2022 wenden von 37 Kommunen im Landkreis Osnabrück 30 Städte und Gemeinden eine Straßenausbaubeitragssatzung an, 4 haben diese aufgehoben oder verfügen über keine entsprechende Satzung. 3 Kommunen haben bei der Befragung keine Rückmeldung gegeben. Die Stadt Osnabrück erhebt ebenfalls Straßenausbaubeiträge auf der Grundlage einer Straßenausbaubeitragssatzung.